Ein Blick auf die neuen „Privacy Sandbox“ Einstellungen von Google Chrome
Cookies sind seit vielen Jahren ein zentrales Instrument des Online-Trackings und der zielgerichteten Werbung. In der anhaltenden Debatte über die Online-Privatsphäre und Datenautonomie hat Google mit der „Privacy Sandbox“ eine Initiative ins Leben gerufen, die seit einigen Jahren daran arbeitet, Drittanbieter-Cookies durch neue Datenschutztechniken zu ersetzen. Diese Initiative scheint auf den ersten Blick zu einem verbesserten Datenschutz beizutragen, jedoch müssen auch ihre Implikationen und potenziellen Auswirkungen kritisch betrachtet werden.
Cookies, FLoC und Topics: Die Geschichte der „Privacy Sandbox“
Die „Privacy Sandbox“ zielt darauf ab, die Menge an Informationen zu begrenzen, auf die Websites zugreifen können, und verspricht, dass Benutzer:inneninformationen privat, sicher und geschützt bleiben. Dies geschieht durch den schrittweisen Verzicht auf Drittanbieter-Cookies und die Einführung neuer Techniken und APIs (Programmierschnittstellen), die mehr Datenschutz gewährleisten sollen.
Die Rolle von Drittanbieter-Cookies
Drittanbieter-Cookies sind kleine Dateien, die von Websites erstellt werden, um Benutzer:innendaten zu speichern und zu verfolgen. Sie sind oft das Rückgrat der Online-Werbung, da sie es Werbetreibenden ermöglichen, Benutzer:innen über verschiedene Websites hinweg zu verfolgen und zielgerichtete Werbung bereitzustellen. Die Abschaffung dieser Cookies könnte tiefgreifende Auswirkungen auf das Online-Werbeökosystem haben.
FLoC: Ein Paradigmenwechsel mit inhärenten Risiken
Ein spezifischer Vorschlag innerhalb der Privacy Sandbox war das 2019 erstmals vorgeschlagene „Federated Learning of Cohorts“ (FLoC)[1]. Anstatt individuelle Benutzer:innen zu verfolgen, schlägt FLoC vor, Benutzer:innen in Gruppen oder „Kohorten“ mit ähnlichen Interessen zu gruppieren. Diese Gruppierung birgt jedoch mehrere Risiken:
Fingerprinting könnte erleichtert werden: Obwohl jede FLoC-Kohorte aus Tausenden von Benutzer:innen bestehen soll, reduziert die Vorgabe einer solchen Kohorte die Anonymität erheblich. Ein Tracker, der mit einer FLoC-Kohorte beginnt, muss nur zwischen wenigen Tausend Browsern Instanzen unterscheiden, was die Eindeutigkeit eines Fingerprints erheblich erhöht.
Cross-Context Exposure: Das FLoC-System könnte dazu führen, dass Benutzer:innen ungewollt Informationen über ihr Verhalten preisgeben. Ein:e Benutzer:in, die beispielsweise medizinische Websites besucht, könnte in einer Kohorte enden, die diese Präferenz widerspiegelt, wodurch andere Websites und Werbetreibende Rückschlüsse auf die Gesundheitsinteressen ziehen könnten.
Missbrauch: Die Möglichkeit, Benutzer:innen basierend auf ihrem Verhalten in Kohorten zu gruppieren, könnte zu Diskriminierung oder unerwünschter Segmentierung führen, wobei bestimmte Kohorten bevorzugt oder benachteiligt werden könnten.
Diese und weitere Kritikpunkte[2][3] auch mit Blick auf eine Verschiebung des Machtgleichgewichts zugunsten großer Technologieunternehmen durch die Kontrolle über entsprechende Tracking-Methoden führten zur Einstellung des FLoC Projekts und einer Weiterentwicklung unter dem Namen „Topics“.
Das Konzept von Topics[4]
Anstatt Websites oder individuelle Benutzer:innenaktivitäten direkt zu verfolgen, ordnet der Browser Websites bestimmten, allgemeinen Themen zu. Basierend auf den kürzlich besuchten Websites der Benutzer:innen werden einige dieser Themen erfasst und mit den besuchten Websites geteilt. Dies ermöglicht es Werbetreibenden, relevante Anzeigen zu schalten, ohne Kenntnis über die spezifischen Websites zu haben, die der Benutzer:in besucht hat.
Während FLoC Benutzer:innen in Kohorten basierend auf ihrem Browserverhalten gruppierte, fokussiert sich Topics auf die Zuordnung von Websites zu allgemeinen Themen. Dieser Ansatz versucht, einige der Kritikpunkte an FLoC zu adressieren indem nicht mehr basierend auf dem gesamten Browserverhalten von Benutzer:innen Kohorteninformationen erhoben und mit Websites geteilt werden, sondern lediglich allgemeine Themen aus dem kürzlichen Browserverlauf abgeleitet werden sollen. Obwohl Topics damit die Taxonomiegröße begrenzt und das Risiko des Fingerprintings verringert, könnte die Kombination von Themen, die einem:er Benutzer:in zugeordnet sind, immer noch einzigartig genug sein, um ihn:sie zu identifizieren. Topics versucht weiterhin, das Problem der sensiblen Datenfreigabe zu adressieren, indem es sicherstellt, dass die Themenliste keine sensiblen Kategorien enthält.
Privacy Sandbox im Kontext von Datenschutz, Persönlichkeitsrechten und wirtschaftlichen Prinzipien
Die „Privacy Sandbox“-Initiative von Google kann als Reaktion auf wachsende Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes und der informationellen Selbstbestimmung gewertet werden. Während die entwickelten Ansätze versprechen, die Privatsphäre der Nutzer:innen zu verbessern, haben sie auch Kritik hervorgerufen, insbesondere im Hinblick auf mögliche Risiken des Fingerprinting und der Weitergabe von Nutzer:innendaten.
Da Online-Werbung eine der Haupteinnahmequellen für viele Unternehmen im digitalen Raum ist, kann die Privacy Sandbox als eine Reaktion von Google auf den Druck von Regulierungsbehörden und den Wunsch der Öffentlichkeit nach mehr Privatsphäre gesehen werden, während gleichzeitig versucht wird, ein profitables Werbemodell aufrechtzuerhalten und eine neue Balance zwischen Datenschutz, Nutzer:innenerfahrung und wirtschaftlichen Interessen zu finden.
Während dies Schritte in Richtung eines verbesserten Datenschutzes sind, bleiben Bedenken hinsichtlich der Umsetzung und der wahren Motive hinter solchen Initiativen. Es erscheint daher wichtig, dass Politik, Regulierungsbehörden und die Öffentlichkeit wachsam bleiben und die Entwicklung solcher Techniken kritisch beobachten, um sicherzustellen, dass sie nicht nur der Profitmaximierung dienen.
Anleitung zur Deaktivierung der „Privacy Sandbox“ in Google Chrome
- Öffnen Sie Ihren Chrome-Browser und gehen Sie zu Einstellungen → Datenschutz und Sicherheit → Anzeigen-Datenschutz.
- Alternativ können Sie diesen Link in Chrome verwenden: chrome://settings/adPrivacy
Dort finden Sie drei Optionen:
- Ad topics: Diese Funktion verwendet Ihre kürzliche Browser-Historie, um festzustellen, welche Themen Sie interessieren, und zeigt Ihnen personalisierte Anzeigen an. Google gibt an, dass diese Themen nach vier Wochen gelöscht werden. Für maximale Privatsphäre sollten Sie diese Option deaktivieren.
- Site-suggested ads: Diese Option ermöglicht es einzelnen von Ihnen besuchten Websites, Schlussfolgerungen darüber zu ziehen, was Sie interessieren könnte, und Ihnen auf anderen Websites Anzeigen dafür zu zeigen. Es ist empfehlenswert, diese Option ebenfalls zu deaktivieren.
- Ad measurement: Diese Option ermöglicht es verschiedenen Websites und Werbetreibenden, Informationen über Sie auszutauschen, um herauszufinden, wie gut ihre Anzeigen funktionieren. Auch diese Option sollten Sie deaktivieren.
Besonders datensparsame Alternativen zu Google Chrome sind z.B. der Open-Source Browser Brave, welcher integrierte Funktionalitäten zur Blockierung vielfältiger Tracker bereits ab Installation und als Standardkonfiguration enthält.
[1] https://github.com/WICG/floc
[2] https://www.eff.org/deeplinks/2021/03/googles-floc-terrible-idea
[3] https://www.deutschlandfunk.de/googles-privacy-sandbox-monopolisten-maerchen-100.html
[4] https://privacysandbox.com/proposals/topics/