Tagung 2022

Bildung und digitaler Kapitalismus

Erfolgreiche Tagung in Remscheid

Die Initiative Bildung und digitaler Kapitalismus kam am 20. und 21. Juni 2022 in hybrider Präsenz mit zahlreichen weiteren Interessierten und Gästen in der Akademie der Kulturellen Bildung in Remscheid zusammen. Die Tagung, die in einer sehr angenehmen Atmosphäre stattfand, wurde von der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) unterstützt und bot im Plenum und in 10 Arbeitsgruppen viele Impulse und Gelegenheiten zum Austausch zwischen Kolleg*innen. Susanne Keuchel (Direktorin der Akademie) und Patricia Gläfcke (Studienleiterin der Akademie; in Vertretung für Horst Pohlmann) begrüßten die Teilnehmer*innen. Sie betonten die partizipative Vorbereitung der Tagung und die Notwendigkeit, den öffentlichen Raum und den Bildungsbereich stärker gegenüber den Strategien insbesondere globaler Digitalkonzerne zu behaupten.

Das Tagungsprogramm schlug einen weiten thematischen Bogen. So wurden am ersten Tag im Plenum in den Impuls-Vorträgen von Sebastian Sevignani und Christine Schickert (beide von der Universität Jena) generelle Fragen der Kapitalismusanalyse mit Blick auf digitale Technologien und die Möglichkeit von Alternativen aufgefächert und Antwortoptionen präsentiert. Alleine dazu hätte problemlos eine gesamte Tagung gefüllt werden können. Mit diesen Einblicken in Diskurse der Kommunikationswissenschaft und Soziologie ging die Tagung zunächst in eine von Max Fuchs (Mitinitiator der Initiative) moderierte Podiumsdiskussion. Friederike Habermann, Expertin u.a. im Bereich der Commons, ergänzte die schon genannten Analyse-Modelle um eine stärker aktivistische Perspektive. Die beiden Themenstränge – verschiedene Möglichkeiten zur Analyse und Kritik eines digitalen Kapitalismus sowie unterschiedliche Modelle zu alternativen Wirtschafts- und Gesellschaftsformen – wurden nachfolgend in Arbeitsgruppen vertieft diskutiert.

Parallel dazu setzte bereits der Themenstrang Bildung ein, der prominent im Namen der Tagung wie auch der Initiative steht. Hierzu gab Horst Niesyto (Mitinitiator der Initiative) im Plenum in einem weiteren Impulsvortrag zu „Digitaler Kapitalismus ­– Herausforderungen für die Bildungsarbeit“ einen Überblick. Der Vortrag skizzierte Kernpunkte einer kritischen Pädagogik, aktuelle Entwicklungen zum Thema IT-Wirtschaft und „digitale Bildung“ sowie pädagogisch-praktische Herausforderungen einer kritisch-reflexiven und handlungsorientierten Bildungsarbeit.

Nach einer von Valentin Dander (Sprecher der Initiative) zum Vortragsthema moderierten Podiumsrunde mit Thomas Reyer (Akademie Remscheid), Gerda Sieben (jfc Medienzentrum Köln), Sabrina Schenk (Goethe-Universität Frankfurt/Main) sowie Beiträgen aus dem Plenum fokussierten am zweiten Tag mehrere Arbeitsgruppen auf unterschiedliche bildungsbezogene Aspekte und Dimensionen anhand von Kurzvorträgen, Videomaterial und Diskussionen (für Details siehe Arbeitsgruppen).

Der Plenumsbeitrag zur Tagungsbilanz, zu dem die Veranstalter Janina Loh, Ethikerin bei der Stiftung Liebenau, eingeladen hatten, akzentuierte Merkmale des digitalen Kapitalismus als eine „Dystopie im Entstehen“ (u.a. möglichst vollständige Überwachung, absolute Herrschaft der instrumentellen Vernunft) und brachte diese in Zusammenhang mit transhumanistischen Vorstellungen und Merkmalen wie z.B. radikale Lebensverlängerung und Unsterblichkeit, Human Enhancement, Transhumane und Cyborgs (als technologiezentrierte Methoden) sowie Überlegungen zu einem „kritischen Transhumanismus“.

Mit Blick auf den Bildungsbereich wurde in den Diskussionen u.a. deutlich, dass ein großer Bedarf an konkreten Konzepten besteht, die eine Kritik an verschiedenen Phänomenen und Strukturen eines digitalen Kapitalismus in motivierender und produktiver Weise entwickeln. Als wichtig erscheint die Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Entwicklungen und die Aneignung von Strukturwissen als Bestandteil kritisch-reflexiver Subjektivierungsprozesse. Diese Prozesse sollten stärker auch gemeinschaftliche und emotionale Dimensionen einbeziehen, ebenso wie sozial-ethische und sozial-ästhetische Reflexionen.

Verschiedene Beiträge betonten, anstelle einer Anpassung an digital-kapitalistische Macht- und Herrschaftsstrukturen erheblich deutlicher alternative Entwicklungspfade und Ziele zu betonen und diese in Bildungsprozesse einzubringen. Bildung setzt auf die Utopiefähigkeit von Menschen und unterstützt sie in dem Streben nach einem Leben in Würde, gegenseitigem Respekt, demokratischen Konfliktlösungen und insgesamt nach Lebensverhältnissen, die ein selbstbestimmtes Leben und gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen. Eine solche Bildung intendiert, die Menschen stark zu machen gegenüber Zumutungen und Verlockungen des digitalen Kapitalismus.

Bildung wird auf vielen Ebenen von digital-kapitalistischen Bedingungen beeinflusst – etwa in Bezug auf institutionelle Kontexte, Inhalte, methodisch-didaktische Formgebungen, bildungspolitisch etc. – und steht ihrerseits in einem spannungsreichen Verhältnis zu diesen Bedingungen: als Herrschaftsinstrument, als Widerstandsmoment, als ambivalenter Entwicklungsprozess. Diese Spannungsverhältnisse finden sich sowohl in formalen als auch in non-formalen oder informellen Bildungskontexten und beschäftigen eher auf Theorie und Forschung wie auch auf professionelle Bildungspraxis orientierte Kolleg*innen und Organisationen. Sie finden sich in verschiedenen Bundesländern Deutschlands, aber auch darüber hinaus, wie Einblicke in andere europäische Länder und auch weltweit verdeutlichten.

So können wir abschließend lediglich festhalten: Die Tagung in Remscheid kann nur der Aufschlag für weitere Aktivitäten der Initiative gewesen sein, denn es gibt reichlich zu tun! Der Initiative Bildung und digitaler Kapitalismus dankt der Akademie Remscheid für die sehr produktive und erfolgreiche Kooperation und der Bundeszentrale für politische Bildung für die wichtige Unterstützung der Tagung.

Tagungsankündigung:

Bundesweite Tagung an der Akademie der Kulturellen Bildung in Remscheid am 20. und 21. Juni 2022

Die Tagung wird sich vor allem mit folgenden Fragen auseinandersetzen:

  • Welche wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zukunftsmodelle sind mit verschiedenen Formen des digitalen Kapitalismus verbunden? Was sind mögliche Alternativen?
  • Welche Strategien gibt es aktuell seitens der (globalen) IT-Industrie, öffentliche Bildungsräume zu beeinflussen und zu kommerzialisieren?
  • Welche Ziele sind vorrangig, um demokratische und nachhaltige Entwicklungspfade bei der Gestaltung und Kommunikation mit digitalen Medien in der pädagogischen Praxis zu stärken? Wie ist ein Beitrag zu mehr Bildungsgerechtigkeit zu leisten?

Veranstalter der Tagung ist die Akademie der Kulturellen Bildung in Zusammenarbeit mit der Initiative Bildung und digitaler Kapitalismus. Die Tagung wendet sich in interdisziplinärer Perspektive an interessierte Kollegen*innen in Wissenschaft, Bildungspraxis, Fortbildung und Bildungsadministration und wird von der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) finanziell gefördert. Neben Impulsvorträgen, Beispielen aus der Bildungsarbeit und Podiumsrunden gibt es viel Raum für Diskussion und Austausch (Arbeitsgruppen, Barcamps, Markt der Möglichkeiten).

Weitere Informationen zur Tagung (Programm, Anmeldung etc.) finden sich auf der Webseite der Akademie der Kulturellen Bildung.